Sitte und Brauch

Aus dem Dorfbuch von Igensdorf, das Herr Dr. Wilhelm Eberle aus Nürnberg im Jahre 1942 angelegt hat und aus dem die Geschichte unserer Heimat hervorgeht, findet man allerlei Hinweise auf frühere Sitten und Bräuche. Nachstehend wollen wir einige beschreiben, um sie den Älteren wieder in Erinnerung zu rufen und der Jugend zu erhalten.

Die Taufe

Wenn man zur Taufe aufbrach, sagte die Hebamme: "Einen Heiden tragen wir fort und einen Christen bringen wir wieder." Als Patengeschenk wird häufig ein sogenannter "Dudenbeutel" , der verschiedene Geldmünzen enthält, in das Taufkissen gesteckt. Die Bezeichnung kommt von "Dud" oder "Dot", das gleichbedeutend mit dem Paten ist.

Die Hochzeit

In der Nacht vor der Hochzeit werden von den Häusern der Braut oder des Bräutigams ausgehend sogenannte "Spreia" gesät. Diese Hülsen aus der Getreideart Dinkel bilden eine Spur zu den Häusern der verflossenen Liebhaber(innen). Da Dinkel nicht mehr so häufig angebaut wird, nimmt man heute Kalk als Ersatz. Früher wurde in der Nähe des Anwesens auf einem Baum noch zusätzlich eine männliche (bei der Braut) oder weibliche (beim Bräutigam) Puppe aufgehängt, die nur gegen ein gutes Trinkgeld wieder entfernt wurde. Die Trauung selbst sollte nur bei zunehmenden Mond vollzogen werden, das garantierte Eheglück. Die Braut durfte erst nach 4 - 6 Wochen ihre Eltern wieder besuchen. Beim Hochzeitsmahl saß die Braut in der Ecke und der Bräutigam rechts davon. Beim Einzug in das Haus nach der Trauung wird dem Brautpaar je ein Glas Wein oder Bier gereicht. Wer zuerst ausgetrunken hat, bekommt das Hausrecht.

Kommunion und Konfirmation

Die Konfirmanden (evangelisch) und die Kommunikanten (katholisch) begaben sich am Sonntag "Judica" zu ihren Paten und beteten den "Patendank" , der eingerahmt und übergeben wurde.

Der Todesfall

Ist in der Familie ein Todesfall eingetreten, dann wird ein Fenster geöffnet. Stirbt der Hausherr, wird das Saatgetreide gerührt und die Bienenstöcke, damit die Bienen nicht fortziehen. Während der Beerdigung durfte das Haus nicht leer stehen, sondern es mußte jemand zurückbleiben. Solange im Friedhof ein offenes Grab ist, soll keine Taufe oder Trauung stattfinden.

Das Pfeffern

Der wohl bekannteste Brauch, der sich bis in unsere Tage erhalten hat, ist das Pfeffern. In den Rauhnächten, meist am Weihnachts- oder Neujahrstagsabend kommen die Burschen des Dorfes zusammen und ziehen dann ab Mitternacht von Haus zu Haus zum "Pfeffern". Sie sind mit Ruten aus Birkenreisig ausgerüstet. Früher wurde noch eine Leiter mitgenommen, um gegebenenfalls an das Fenster der Schlafkammer einer Schönen zu gelangen. Durch Rutenschläge an die Fensterscheiben wecken sie die Schläfer und singen dazu ihr Pfefferlied. Die Pfefferer erhalten dann verschiedene Geschenke, auch Punsch oder Schnaps, meist von den Mädchen, denen das Pfeffern in besonderer Weise gilt. Haben sie ihren Lohn erhalten, ziehen sie weiter zum nächsten Haus. Vorher singen sie jedoch noch Ihren Dankspruch. Am Morgen des zweiten Pfeffertages gingen früher dann auch die Kinder in jedes Haus und "pfefferten" die Leute. Sie schlugen ihnen die mitgebrachten Birkenruten um die Füße und stellten dazu wiederholt die Frage: "Schmeckt da Pfeffer gout?" Auch sie erhielten Ihre Geschenke, die man gerne gab. Denn nur wenn man gut gepfeffert war, konnte man das ganze Jahr über gut laufen.

Das Neujahrs-Singen

Wenn in der Silvesternacht nach 12 Uhr der Punsch in den Wirtshäusern getrunken ist, gehen die Burschen zum Neujahrs-Wünschen von Haus zu Haus. Sie singen dabei Wünsche für ein glückliches und reiches Neues Jahr und erhalten dafür die üblichen Geschenke.

Rockenstuben

Fast in Vergessenheit geraten sind die früher so beliebten Rockenstuben d' Rokkastumm". Um die Jahrhundertwende kamen in der Winterszeit die Mädchen mit Spinnrad und Rocken in einem großen Bauernhaus mit großer Stube zum Spinnen zusammen. Es wurde fest gesponnen, bis sich die (längst erwarteten) Burschen einstellten. Diese schüttelten den Mädchen die Rocken-Abfälle von der Schürze. Das war das Zeichen zum Einstellen des Spinnens. Jetzt wurde die Arbeit in eine Ecke gestellt. Einer der Burschen spielte Mundharmonika und man tanzte oft bis nach Mitternacht. Dabei lernte die Jugend das Tanzen, weil sie bis zum 17. Lebensjahr nicht auf den öffentllchen Tanzboden durfte. Nicht selten stellten sich auch Burschen vom Nachbarort ein, damit sie zu ihrem "Schozele" kamen. Bei solchen Liebesgeschichten blieben natürlich auch kleine Raufereien nicht aus. Die wurden aber ausgetragen wenn die Rockenstube zu Ende war.

Würschtfahren oder Rockaspeisen

Auch dieser Brauch ist in Vergessenheit geraten. Die Bauern schlachteten regelmäßig zwei- mal im Jahr. Im Oktober ein Schwein, das war der sogenannte "Vorstich". In den Wintermo- naten wurde das eigentliche Dauerfleisch verarbeitet, was man das "Rechtmetzeln" hieß. Dabei wurden bei größeren Bauern mit mehreren Dienstboten neben einem Rind oft 3 - 4 Schweine geschlachtet. Am Schlachttag lud man dann die Verwandten, manchmal auch den Herrn Pfarrer und den Herrn Lehrer auf die "Knockng". Die Stube wurde geputzt und die Teilnehmer erschienen vielfach im Sonntagsanzug. Wenn dann der Metzger fertig war, gab es abends ein Essen: Nudelsuppe, Schweinebraten mit Klößen und Kraut, saure Schweins- knöchla, Leber- und Blutwurst mit Kraut. Auch ein Faß Bier wurde angestochen, das "Knockaböia", das sich der Bauer vom Brauer beim Verkauf der Braugerste erdingte. Nach dem Essen kamen dann 3 - 4 verkleidete, meist ärmere Personen vom Orte, manchmal auch aus dem Nachbardorf, zu diesem Schlachtfeste. Ein als Frauensperson verkleideter Mann trug einen Huckelkorb in dem sich ein irdener Hafen (Topf) befand. Da hinein sollten die Würste und dergleichen kommen, die die ungeladenen Gäste erwarteten. Aber das war niemals möglich, weil die "Frau" mitsamt dem Korbe dem Brauch entsprechend in die Stube fallen mußte, wobei der Topf in Scherben ging. Die "Würschtfoara" überreichten dann dem Bauern den "Paß", ein Schreiben, auf dem ihre Namen (allerdings unleserlich) aufgezeichnet waren. Darunter schrieben sie ihre Wünsche, meist in Versform. Gesprochen wurde nicht und die Festgäste versuchten, meist erfolglos, die "Wurstfahrer" zu erkennen. Oft wurde auf der Mundharmonika gespielt und getanzt. Zum Schluß richtete die Bäuerin die "Knockng". Kraut- und Blutwürste, Fleisch und Kraut kamen in eine Schüssel, wurden den "Würschtfoarern" überreicht. Diese verpackten die leckeren Sachen in ihrem Huckelkorb, bedankten sich durch stumme Verneigungen und Händedrücken und verließen unter den Klängen der Mundharmonika das gastliche Haus. Daheim ließen sie sich's schmecken und der Rest wurde geteilt. Die Schüssel stellte man der guten Bäuerin unbemerkt wieder zu.

Das Ostereier-Ansingen

Am Ostersonntag-Abend verschafften sich die 16 - 25jährigen Burschen des Dorfes im Gasthaus die nötige Grundlage, um in entsprechende Stimmung zu kommen. Diese war meist gegen Mittemacht erreicht. Dann zog der übermütige Schwarm los zu Häusem, wo man freigiebige Leute oder auch ein hübsches Mädchen wußte. Vor solchen Häusem liesen dann die Burschen plötzlich ihre kraftvollen Stimmen ertönen. Man lärmte aus Leibeskräften, ähnlich wie beim "Pfeffern", bis sich eine Türe oder ein Fenster öffnete und die "Besungenen" ihre Gaben spendeten.

Trud-Austreiben

Am 1. Mai haben die Truden eine besondere Macht. Daher fand früher alljährlich am letzten April, dem Tage unmittelbar vor Walpurgis das Trud-Austreiben statt. Der Dorfhirte erschien dabei mit einer langen Peitsche. Hinter ihm tollte ein Haufen Kinder mit Pfeifen und "Trud-Hörnern". Das sind selbstgemachte Weidenpfeifen mit "Rubbern" an der Schallöffnung, damit der Ton verstärkt wurde. Der Schwarm hielt vor jedem Hause, in dem Weidetiere gehalten wurden. Der Hirte knallte kräftig mit der Peitsche, die Kinder pfiffen, bliesen und trompeteten auf ihren Instrumenten und sangen dazu: "Trud ein, Trud aus, zum Hirtenhaus raus!". Nun erschienen der Hofinhaber und der Hirte erhielt sein Geschenk, besonders Brot und Fleisch. Das wiederholte sich vor jedem Bauernhaus und so holte sich der Hirte seinen Naturallohn zusammen.

Das Sonnwendfeuer

Das Sonnwendfeuer hieß früher auch "Khannesfeuer". Diese Bezeichnung kommt vom oberpfälzischen "Khannes", was gleichbedeutend mit "Johannes" ist. Es wurde von altersher alljährlich am Abend des Johannitertages in der Dämmerung von der Dorfjugend abge- brannt. Das Holz wurde während des Tages im Dorf zusammengetragen. Mit Schubkarren zog man von Haus zu Haus, wo man meist Lieder vorsang und dafür das Brennholz erhielt. Dieses wurde dann auf den Berg gefahren, bis genügend beisammen war. Der Platz, von dem aus das Feuer zum nächtlichen Himmel loderte, war früher regelmäßig der Anger auf dem Eberhardsberg oberhalb der Friedenslinde. War das Feuer etwas zurückgegangen, setzten die Burschen, weniger die Mädchen, in mächtigen Sätzen über die Glut.